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Presseartikel 30.November 2011
Goslarsche Zeitung
Jeder Handgriff ist eine Hilfe
Sigrid Kronefeld schält in der Zille Kartoffeln im Akkord
Sabine Kempfer
Kartoffeln schält Sigrid Kronefeld für ihr Leben gern. Vielleicht, weil ihr das so gut von der Hand geht — wenn's mal 'Nudeln gibt, ist die ehrenamtliche Mitarbeiterin der Goslarer „Zille" richtig enttäuscht. Für 35 Essen plant sie 140 Kartoffeln, vier Stück pro Person; nur eine Stunde braucht die 61-Jährige dafür, inklusive Augen entfernen. Kein Wunder, dass die Leiterin der Einrichtung, Evelin Vopel, schon scherzhaft vorschlägt, sie bei „Wetten dass" anzumelden... Zeit zum Klönschnack in der Küche bleibt trotzdem noch, und bei so viel Routine muss Kronefeld auch nicht fürchten, dass ihr das Schälmesser ausrutscht. Die 61- Jährige, seit drei Jahren Zille-Küchenfee, steht stellvertretend für viele Ehrenamtliche in Goslar, ohne deren Einsatz manches nicht möglich wäre. Das Helfen habe auch ihr geholfen, erzählt sie der GZ.
Foto: Schenk
GOSLAR. Im Kartoffelschälen ist sie die Schnellste:
Sigrid Kronefeld hilft seit drei Jahren unentgeltlich in der Zille mit. „Wir könnten sie bei Wetten, dass..." anmelden,
ist Zille-Leiterin Evelin Vopel überzeugt. Für die Freiwilligenagentur ist die 61-Jährige eine Vorzeige-Ehrenamtliche.
Darum ist Kronefeld auch der „gelbe Schatten" auf dem letzten Plakat der sechsteiligen Serie, 50 dieser Plakate werden laut
Agentur-Leiterin Marion Bergholz demnächst die Litfaßsäulen im Stadtgebiet zieren; sie sollen auf die Unverzichtbarkeit des
ehrenamtlichen Engagements in der Stadt und auf die Rolle der Freiwilligenagentur als Vermittler aufmerksam machen. Als
Kronefeld auf der Suche nach einer Aufgabe vor drei Jahren zur Freiwilligenagentur kam, war sie ziemlich am Boden. Nach
einer län-geren Krankengeschichte mit Operation und Arbeitsausfall bekam sie die Quittung in Form einer Kündigung ihres
Arbeitgebers - für die Goslarerin war das ein Schlag, der ihr den Boden unter den Füßen wegzog. Wie schlecht es ihr tatsächlich
ging, wird bei der Schilderung ihres Ehrenamts deutlich: „Ich habe diesen Beschluss nie bereit. Ich sitz' nicht mehr auf dem Sofa,
falle nicht mehr in Depressionen und fange nicht mehr dauernd an zu weinen", erzählt sie. Für Kronefeld hat sich alles zum Guten
gewendet. Sie kann helfen - und damit ist ihr selbst geholfen. So einfach kann die Gleichung manchmal sein. Das Team in der Zille
nahm sie sehr gut auf. IKronefeld geht gerne „zur Arbeit", dort freut man sich auf sie. Zweimal in der Woche hilft sie in der Küche,
Erfahrungen aus dem gastronomischen Bereich bringt sie mit. „Was gibt's heute - Kartoffeln oder Knödel?" ist für sie die wictigste Frage.
Kartoffeln schälen ist ihr Spezialgebiet. Einen 12,5-Kilo-Sack und noch einen halben Sack dazu schafft sie in einer Stunde, pro Portion
(30 bis 35 am Tag) rechnet sie vier Kartoffeln. Geschält wird mit dem Küchenmesser; nebenbei erzählen ist bei ihrer Routine kein
Problem. „Wenn's mal Nudeln gibt, bin ich ganz entsetzt. Dann mach' ich halt was anderes", erzählt sie und lacht. Gestern kochte
sie Berge an Kartoffeln zu Hause - für den Kartoffelsalat zum Geburtstag ihres Sohnes. Ihre Familie unterstützt ihr ehrenamtliches
Engagement - schließlich hat Sigrid Kronefeld dadurch wieder neuen Lebensmut geschöpft. „Ich bin heute anders, aufgeschlossener,
freier", erzählt sie. In der Zille werde sie gebraucht, jeder Handgriff sei eine Hilfe - und ihre Woche hat eine Struktur. „Es ist
wichtig, einen neuen Rhythmus zu finden, wenn man nicht mehr", weiß Vopel. Die Montage und Donnerstage von 9 bis 13.30 Uhr in der
Zille sind intensiv, die Zeit vergeht schnell; um 12.15 Uhr ist Essensausgabe, danach heißt es Aufräumen, Abwaschen. „Solange ich
kann, mache ich das gerne hier", sagt Kronefeld.
Foto: Schenk